Verwachsungen nach einer Endometriose-Operation: Warum sie entstehen und was bei Beschwerden helfen kann
Kürzlich fingen die Nachbarn unten plötzlich an, sehr laute Musik zu spielen, und zwar genau in dem Moment, als ich versuchte, mich so richtig zu konzentrieren. Ich war schon müde und leicht überreizt, und selbst mit Ohrstöpseln drangen die Basstöne noch zu mir durch. Langsam aber sicher spürte ich, wie sich die Anspannung in meinem Körper aufbaute. Nach unten zu stürmen und mich zu beschweren, entspricht nicht wirklich meiner Art. Was also tun? Zum Glück kennt mein Mann mich in- und auswendig. Er legte „Mitten in die Fresse” von Die Ärzte auf, damit ich meine Frustration wegtanzen konnte. Ich gab mich ganz der Musik hin und schüttelte buchstäblich alle aufgestaute Anspannung aus meinem Körper. Und das tat wirklich gut – zumindest für einen Moment.
Bis gegen Ende des Liedes plötzlich ein scharfer Schmerz durch meinen Unterbauch zog, der so intensiv und roh war, als würde etwas von innen reißen. Der Schmerz blieb eine ganze Weile. Leider ist mir eine solche Erfahrung nicht unbekannt. Seit meiner Endometriose-Operation vor zwei Jahren habe ich öfter mit derartigen plötzlichen Schmerzattacken zu kämpfen. Laut meiner Physiotherapeutin und meiner Frauenärztin deuten diese Beschwerden – zusammen mit Schmerzen beim langen Sitzen und einem seit der OP oft stark aufgeblähten Bauch (der sogenannte „Endo-Belly“) – vermutlich auf Narbengewebe hin, das sich nach der Bauchspiegelung gebildet hat. Genauer gesagt handelt es sich wahrscheinlich um Verwachsungen zwischen dem Bauchfell und den umliegenden Organen, die immer wieder zu Problemen führen.
Und ich bin definitiv nicht die Einzige, die damit zu tun hat. Verwachsungen sind eine häufige Komplikation nach einer Bauchspiegelung bei Endometriose. Trotzdem haben viele Menschen noch nie davon gehört oder wissen nicht, welche Beschwerden sie verursachen können. In diesem Artikel möchte ich daher zunächst erklären, was Verwachsungen genau sind und warum sie entstehen. Anschließend werde ich darauf eingehen, was man tun kann, wenn es zu Beschwerden kommt.
Was sind postoperative Verwachsungen und wie entstehen sie?
Nach einer Operation wie einer Bauchspiegelung zur Diagnose und Behandlung von Endometriose beginnt der Körper damit, das beschädigte Gewebe zu reparieren. Die drei bis vier Einschnitte, die bei diesem Eingriff in der Regel gemacht werden, hinterlassen kleine Narben, die mit der Zeit verblassen und weniger auffällig werden. Auch im Inneren des Bauches entstehen durch die Einschnitte und die Entfernung von Endometrioseherden oder Zysten Gewebeschäden. Bei manchen Menschen bilden sich während des Heilungsprozesses dünne, aber feste und faserige Bindegewebsstränge, die das Bauchfell, die Organe und andere Strukturen im Bauchraum miteinander verbinden. Das sind Verwachsungen, auch Adhäsionen genannt.
Das Risiko für solche Verwachsungen ist größer, je komplexer oder umfangreicher die Operation ist, zum Beispiel bei tief infiltrierender Endometriose oder Schokoladenzysten (Endometriomen). Weitere Faktoren, die zur Entstehung von Verwachsungen beitragen können, sind Blutungen oder Entzündungen im Bauchraum während oder nach der Operation, wiederholte Eingriffe im gleichen Bereich oder eine individuelle Veranlagung zu stärkerer Narbenbildung.
Symptome und Beschwerden durch Verwachsungen
Postoperative Verwachsungen verursachen manchmal, abhängig von ihrer Lage und Ausdehnung, keine Probleme und bleiben unbemerkt. In anderen Fällen kann dieses Narbengewebe jedoch leichte Unannehmlichkeiten bis hin zu stark belastenden Beschwerden verursachen. Diese reichen von ziehenden, scharfen, ausstrahlenden oder stechenden Bauchschmerzen, einem Spannungsgefühl im Bauch, einem aufgeblähten Bauch, Verstopfung oder Durchfall bis hin zu Blasenproblemen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, chronischen Beckenschmerzen oder sogar Fruchtbarkeitsproblemen.
Das liegt daran, dass Verwachsungen die Beweglichkeit der Organe einschränken, Druck auf angrenzende Strukturen ausüben, physische Blockaden bilden oder Nerven reizen können. Die Beschwerden können sich bei langem Sitzen, Bewegung oder Positionswechseln, während der Menstruation, bei Darmaktivität oder Geschlechtsverkehr verschlimmern, da in diesen Situationen zusätzlicher Druck oder Spannung auf die Verwachsungen ausgeübt wird. In schlimmen Fällen können Verwachsungen sogar zu einem (teilweisen) Darmverschluss führen, was allerdings glücklicherweise nur selten vorkommt.
Diagnose stellen: Verwachsungen oder eine andere Ursache?
Wie dir vielleicht aufgefallen ist, überschneiden sich viele Beschwerden, die durch postoperative Verwachsungen verursacht werden können, mit den Symptomen von Endometriose oder anderen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom. Verwachsungen sind zudem schwer nachzuweisen, da sie bei gängigen bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, CT-Scan oder MRT in der Regel nicht sichtbar sind. Ärzt:innen stützen ihre Vermutung von Verwachsungen daher hauptsächlich auf die Art der Beschwerden und die medizinische Vorgeschichte. Der einzige Weg, um Verwachsungen mit Sicherheit festzustellen, ist eine erneute Bauchspiegelung, bei der die Bauchhöhle direkt betrachtet werden kann.
Gut zu wissen ist, dass Verwachsungen nicht nur durch medizinische Eingriffe, sondern auch durch Endometriose selbst entstehen können. Aktive Endometrioseherde reagieren auf zyklusbedingte hormonelle Veränderungen und können während der Menstruation bluten. Anders als bei der Gebärmutterschleimhaut kann dieses Blut den Körper nicht über die Vagina verlassen. Es bleibt in der Bauchhöhle zurück und verursacht chronische Entzündungsreaktionen. Dies führt nicht nur zu den für Endometriose typischen Schmerzen, sondern kann auch die Bildung von Narbengewebe und Verwachsungen begünstigen. Es ist also durchaus möglich, dass du dich in den oben genannten Beschwerden wiedererkennst, auch wenn du noch keine Operation hattest.
Dadurch wird es noch schwieriger, genau herauszufinden, wo die Beschwerden herkommen: Sind sie eine Folge der postoperativen Narbenbildung, neuer Endometrioseherde und -verwachsungen, einer anderen Erkrankung oder einer Kombination aus mehreren Faktoren?
Behandlungsmöglichkeiten bei Beschwerden durch Verwachsungen
Unabhängig von der Ursache der Beschwerden konzentriert sich die Behandlung vor allem auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität. In den meisten Fällen wird wie generell bei Endometriose ein konservativer und interdisziplinärer Ansatz gewählt. Dieser kann die Einnahme von Schmerzmitteln, eine Hormontherapie, Anpassungen der Ernährung und Lebensweise sowie eine spezialisierte Physiotherapie umfassen, die darauf abzielt, Spannungen zu lösen und die Beweglichkeit im Beckenbereich zu verbessern. Darüber hinaus berichten einige Menschen positiv über ergänzende Behandlungsmethoden wie TENS, Akupunktur, und Osteopathie.
Wenn die Beschwerden schwerwiegend sind und sich mit diesen Methoden nicht ausreichend verbessern, kann eine erneute Operation infrage kommen. Während einer Bauchspiegelung wird versucht, die Verwachsungen zu lösen, ein Verfahren, das Adhesiolyse genannt wird. Dies kann Schmerzen und andere Beschwerden verringern und bei Fruchtbarkeitsproblemen die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen. Um neue Verwachsungen zu vermeiden, kommen manchmal Barrierefilme oder -gele zum Einsatz. Aber selbst dann besteht leider immer das Risiko, dass Verwachsungen erneut entstehen und man in einen Teufelskreis gerät. Daher wird eine erneute Operation normalerweise nur als letzte Option in Erwägung gezogen.
Praktische Tipps für den Umgang mit Verwachsungen im Alltag
Wenn du den Verdacht hast, mit postoperativen Verwachsungen zu tun zu haben, kannst du neben den zuvor beschriebenen Behandlungsmethoden zum Glück auch selbst einiges tun, um deine Beschwerden zu lindern. Die folgenden Tipps sind zwar keine Wundermittel, können aber dazu beitragen, das tägliche Leben etwas angenehmer zu gestalten:
Bleibe in Bewegung
Regelmäßige, sanfte Bewegung, wie beispielsweise Spazierengehen, Schwimmen oder ruhiges Radfahren, kann dabei helfen, Verwachsungen weniger steif zu machen und die Beweglichkeit der Organe und anderer Gewebe zu verbessern. Sportarten mit vielen ruckartigen Bewegungen, wie Laufen oder Workouts mit Sprungübungen, sind dagegen oft weniger geeignet.
Stehe regelmäßig auf und dehne dich
Langes Sitzen verschärft oft die Beschwerden. Versuche daher, alle halbe Stunde kurz aufzustehen und dich zu bewegen, um die Durchblutung im Bauch zu fördern und Steifheit vorzubeugen. Auch eine ruhige Form von Yoga oder tägliche Dehnübungen können helfen, Spannungen im Körper zu lösen und Verwachsungen etwas flexibler zu halten.
Entspanne deinen Beckenboden
Ein angespannter Beckenboden kann die Beschwerden verschlimmern. Beckenbodenübungen und Massagetechniken, die man in der Physiotherapie oder mithilfe zuverlässiger Quellen (wie Büchern oder Videos) erlernt, können dazu beitragen, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit im Beckenbereich zu verbessern.
Achte auf deine Sitzhaltung und Ergonomie
Eine gute Sitzhaltung verhindert zusätzlichen Druck auf deinen Bauch und dein Becken. Wechsle regelmäßig deine Position und erwäge die Nutzung eines ergonomischen Sitzkissens oder eines Sitzballs. Hebe außerdem immer aus den Knien und nicht aus dem Rücken.
Nutze Wärme
Wärme entspannt die Muskeln und kann Schmerzen vorübergehend lindern. Ein warmes Bad, eine Wärmflasche oder ein Kirschkernkissen können daher sehr wohltuend sein. Achte jedoch darauf, dass die Wärmequelle nicht zu heiß ist, da es sonst zu Hautverbrennungen kommen kann (ich habe selbst eine Narbe davon).
Entspanne durch Atemübungen
Spannungen im Bauchbereich können Schmerzen verstärken. Atemübungen, Achtsamkeit oder Meditation können dabei helfen, sowohl deinen Körper als auch deinen Geist zu beruhigen. Das erfordert manchmal etwas Übung und liegt nicht jedem, kann aber langfristig wirklich einen Unterschied machen.
Passe deine Ernährung an
Einige Lebensmittel können die Gasbildung verstärken und zu einem aufgeblähten Bauch führen. Dazu gehören beispielsweise Bohnen, Kohlgemüse oder frittiertes Essen. Auch Gluten, Milchprodukte oder zuckerreiche Lebensmittel können bei manchen Menschen Verdauungsbeschwerden auslösen. Es kann hilfreich sein, mit einer Fachkraft für Ernährung zu besprechen, welche Anpassungen für dich sinnvoll sind.
Trinke ausreichend Wasser
Eine gute Flüssigkeitszufuhr unterstützt die Darmfunktion und hilft, Verstopfung zu vermeiden. Das verringert den Druck auf die Verwachsungen und somit auch die Bauchschmerzen. Im Allgemeinen werden 1,5 bis 2,5 Liter Wasser pro Tag empfohlen, abhängig von Körpergröße und Aktivitätsniveau.
Rede offen über Schmerzen beim Sex
Schmerzen beim Sex sind eine häufige Beschwerde bei Verwachsungen und Endometriose im Allgemeinen. Das bedeutet jedoch nicht, dass du sie einfach ertragen musst. Sprich offen mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin darüber und experimentiere mit verschiedenen Positionen, die für euch beide angenehm sind. Wenn das nicht ausreichend hilft, kann eine Sexualtherapie eine Überlegung wert sein.
Suche bei anhaltenden Schmerzen spezialisierte Hilfe
Wenn die Schmerzen trotz allem anhalten und dich in deinem Alltag einschränken, kannst du mit deiner Ärztin oder deinem Arzt besprechen, ob eine Überweisung in eine Schmerzklinik sinnvoll ist. Dort gibt es umfassendere und spezialisiertere Behandlungsoptionen als die üblichen Schmerzmittel.
Fazit
Verwachsungen in der Bauchhöhle nach einer Endometriose-Operation sind leider keine Seltenheit – und doch wird kaum darüber gesprochen. Während manche Menschen kaum Beschwerden haben, leiden andere stark unter den Folgen. In solchen Fällen kann eine gezielte interdisziplinäre Behandlung helfen – etwa in Form von spezialisierter Physiotherapie, bestimmten Anpassungen im Alltag oder, wenn wirklich nichts anderes mehr hilft, einer erneuten Operation zur Lösung der Verwachsungen.
Heißt das, man sollte besser ganz auf eine Bauchspiegelung verzichten, um das Risiko für postoperative Verwachsungen zu vermeiden? Das wiederum nicht. Welche Behandlung die richtige ist, hängt immer von der individuellen Situation ab: Welche Beschwerden stehen im Vordergrund? Wie stark ist die Endometriose ausgeprägt? Und welche persönlichen Prioritäten und Lebensumstände spielen eine Rolle? Jede Behandlungsmethode bringt bestimmte Vor- und Nachteile sowie mögliche Risiken mit sich. Deshalb ist es sehr wichtig, die Entscheidung für oder gegen eine Bauchspiegelung ausführlich mit einer Ärztin oder einem Arzt deines Vertrauens zu besprechen und gegebenenfalls eine Zweitmeinung einzuholen. Letztendlich liegt die Entscheidung bei dir.
Auch wenn die Operation bei mir wahrscheinlich zu Verwachsungen geführt hat, die mir bis heute Beschwerden bereiten, bereue ich persönlich meine Entscheidung nicht. Dank der OP habe ich endlich Klarheit gewonnen und einige sehr unangenehme Beschwerden sind verschwunden. Zudem wurde ausgedehnte, tief infiltrierende Endometriose entfernt, die vorher auf keinem Ultraschall sichtbar war, die aber mit der Zeit möglicherweise meinen Darm geschädigt hätte.
Hast du selbst Erfahrungen mit Verwachsungen nach einer Endometriose-OP gemacht oder erkennst dich in den beschriebenen Beschwerden wieder? Dann teile deine Geschichte gerne in den Kommentaren. Möglicherweise hilft es jemand anderem, einen Schritt weiterzukommen!
Weitere Informationen
Weiterlesen? Hier findest du einige Quellen, die du konsultieren kannst, wenn du dich weiter mit diesem Thema auseinandersetzen möchtest.
Fortin, C. N., Saed, G. M. & Diamond, M. P. (2015). Predisposing factors to post-operative adhesion development. Human Reproduction Update, 21(4), 536–551. https://doi.org/10.1093/humupd/dmv021
Giampaolino, P., Della Corte, L., Saccone, G., Vitagliano, A., Bifulco, G., Calagna, G., Carugno, J. & Di Spiezio Sardo, A. (2018). Role of Ovarian Suspension in Preventing Postsurgical Ovarian Adhesions in Patients with Stage III-IV Pelvic Endometriosis: A Systematic Review. Journal Of Minimally Invasive Gynecology, 26(1), 53–62. https://doi.org/10.1016/j.jmig.2018.07.021
Krämer, B., Andress, J., Neis, F., Hoffmann, S., Brucker, S., Kommoss, S. & Höller, A. (2021). Adhesion prevention after endometriosis surgery — results of a randomized, controlled clinical trial with second-look laparoscopy. Langenbeck S Archives Of Surgery, 406(6), 2133–2143. https://doi.org/10.1007/s00423-021-02193-x